Warum realistische Trainings und kleine Schritte so wichtig sind

Hunde sind verdammt schlaue Tiere. Sie lernen schnell- so schnell, dass wir Menschen es oft gar nicht sofort mitbekommen. Sie sind gewitzt, und gewöhnen sich relativ fix an sich wiederholende Gegebenheiten. Ein kleines Beispiel hierzu aus meinem Hunde-Alltag: Ich habe mich kürzlich sehr erschrocken, als Romy plötzlich lautstark losbellte, während ich mit meiner Mutter telefonierte. Es hat gedauert, bis ich verstanden habe, warum sie vermeintlich aus dem Nichts einfach bellt. Als ich es verstanden habe, musste ich fast ein bisschen lachen…

Ich sah auf dem Display, dass meine Mutter anrief, also ging ich dran, und begrüßte sie mit einem freundlichen „Hallo!“ – Postwendend bellte Romy los. Und zwar deshalb, weil sie sich gemerkt hat, dass immer, wenn ich das Wort „Hallo“ in einer bestimmten Tonlage sage, ein „fremder Eindringling“ (ich nenne es Besuch) vor der Haustüre steht. Als mir das klar wurde, machte ich sofort den Test. Ich ging in den Flur, und sagte in den leeren Raum eben in dieser Tonlage wieder „Hallo!“- und auf der Stelle begann ihr Konzert. Somit war klar- ich musste wohl kreativer werden, was die Begrüßung meiner Gäste anging.

Was das ganze mit Mantrailing zu tun hat? Das ist schnell erklärt: Dass Hunde schnell lernen, haben wir bereits geklärt. So auch bei der Vermisstensuche- man kann immer sehr schön beobachten, wie es bei einem „neuen“ Hund nach den ersten 4-6 Firetrails (= den Hund „antrailen“) den Schalter umlegt, und er plötzlich verstanden hat, was er tun soll. Wir alle freuen uns riesig darüber, Frauchen bzw. Herrchen ist völlig aus dem Häuschen und spricht ihrem Schützling Superkräfte zu. Und schon haben wir den Salat- ab jetzt lernt der Hund viel viel schneller als der Hundeführer (richtig, mal wieder ist das andere Ende der Leine das „Problem“…).

Und GENAU HIER müssen wir im Training ansetzen, denn nur, weil Frauchen oder Herrchen nun glauben, der Hund wäre hochbegabt, haben wir noch lange keinen neuen Einsatzhund- denn im Mantrailing braucht man beide, Hund UND Mensch, denn es ist Teamwork. Somit ist jetzt auch klar, wieso es ca. 2 Jahre dauert, bis ein Team einsatzreif ist, denn der Mensch muss nun lernen, was der Hund dem Handler zu verstehen geben möchte- das berühmte „Lesen“ des Hundes. Das Team ist aber nur so stark, wie das schwächste Glied, und somit ist alles gesagt… Seid deshalb bitte nicht traurig, wenn es euch zu Beginn im Training zu leicht, zu kurz, oder zu unspektakulär vorkommt. Es ist nur zu eurem Besten!

Aber was ist denn nun „realistisches Training“? Wenn man an mein Beispiel von oben denkt, lässt sich auch das plausibel erklären. Nutzt man z.B. jede Woche immer ein und dasselbe Trainingsgelände, merkt sich der Hund sehr schnell, wo die „vermissten Personen“ sich gern verstecken, und gehen während dem Trail plötzlich über in die „Sichtjagd“- sie schauen nämlich nach, wo die Versteckpersonen in vorherigen Trainings gesessen haben, und gehen nacheinander die Verstecke ab, um nachzusehen, ob da jetzt vielleicht wieder jemand sitzt. Oh ja, Hunde sind schlau! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen…

Hunde merken sich ab einem bestimmten Trainingsstand auch gern, wie lang Trainings- Trails normalerweise sind, und zeigen dann bei deutlich längeren Trails an einem gewissen Punkt Ratlosigkeit, oder fangen an zu gähnen oder sich zu schütteln, als wollten sie sagen: “ Na nu? Normalerweise müssten wir doch schon längst da sein… So weit sind wir sonst nie gegangen!!“ Wirklich herrlich, diese ungläubigen Blicke…

Realistisches Training heißt aber auch, dass man ab und zu nicht erfolgreich sein wird. Auch das gehört dazu. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es ganz schön schmerzt, wenn man vorher sehr „erfolgsverwöhnt“ war, und immer gefunden hat. Durch die Aufarbeitung des Misserfolgs lernt man aber Unverzichtbares, gerade dann, wenn man als Ziel hat, ein Einsatzteam zu werden.

Ich als Trainer bin zusätzlich in einer schwierigen Situation, denn ich selbst kann ja für meinen eigenen Hund keinen Trainings-Trail legen- dann wüsste ich ja, wo die Versteckperson gegangen ist. Ist doch nicht so schlimm, meint ihr? Doch, das ist es- denn durch unbewusste Körperhaltung oder -ausrichtung könnte ich meinem Hund einen Tipp geben, wenn sie sich hilfesuchend nach mir umschaut. Hatte ich schon erwähnt, dass Hunde verdammt schlau sind?

Um das zu verhindern, sind die Trails für Romy und mich meistens „double blind“, was bedeutet, dass nur die Versteckperson selbst weiß, wo sie gegangen ist. So kann ich meinen Hund nicht unbewusst beeinflussen. Das geht natürlich auch nur, weil wir bereits ein Einsatzteam sind, und man ja im Falle des Einsatzes auch nicht weiß, wo die vermisste Person gegangen ist… Somit kann ich auch mit meinem Hund realistisch und authentisch trainieren. „Double Blind Trails“ sind also nur für erfahrene Hunde geeignet, und sollten unbedingt im Training geübt werden.

Für ein gutes, realistisches Training gelten zusammengefasst folgende Grundsätze:

Kleine Schritte, NIEMALS den Hund überfordern! Zu Beginn immer nur EINE Schwierigkeit trainieren! Unterschiedliches, abwechslungsreiches Trainingsgelände! Unterschiedliche Versteckpersonen (bekannte Personen sucht der Hund lieber als unbekannte)! Unterschiedliche Trails (Länge/Liegedauer/Schwierigkeit)! Verschiedene Auffindesituationen (zb. bewegliche Versteckperson, nicht „wie immer“ stehend hinter dem nächsten Baum)! Double Blind Trails für erfahrene Hunde!

Wenn man sich an diese Grundsätze hält, ist man auf einem wirklich guten Weg, ein eingeschworenes Team mit seinem Hund zu werden. Am Ende muss es so sein, dass man „fühlt“, wann der Hund beispielsweise die Richtung wechseln möchte, oder ausgeschlossen hat- man arbeitet dann als eine Einheit.